Bilanz- und Steuerpolitik - neues Problem - IFRS IAS2 Vorräte

  • Hi Forum, Tim und Klaus,


    diesmal habe ich zur Abwechslung ein echtes Verständnisproblem.
    Leider wieder eine Aufgabe aus Herbst 2016.


    Ausgangssituation (verkürzt aber wesentliche informationen):


    Produktions GmbH hat Bestandsveränderungen bei Spezialöl
    1200 Liter Schlussbestand
    Wiederbeschaffungspreis 24€/Liter


    Zu berechnen waren gem. Bewertungsvereinfachungsmethoden mit FiFo und gewogener Durchschnitt.
    FiFo: 32 000€
    Durchschnitt: 33 816€
    So weit, so gut.


    Teilaufgabe c verlangt nun nach dem tatsächlichen Bilanzansatz unter Angabe der betreffenden Vorschriften. (8 Punkte)
    Lösungsvorschlag:
    I.d.R. IAS 2.9
    aber gem. IAS 2.32 erlaubtes Abweichen...Vorschrift wird nahezu komplett zitiert...mit dem Ergebnis:
    Bilanzansatz mit 1200Liter x 24€/Liter = 28 800€


    Mein Problem:
    IAS 2.32 greift doch nur für RHB die in Vorräte/Fertigerzeugnisse einfliessen im Zuge der Herstellung bzw. dafür bestimmt sind.
    Im Text sind keine Angaben diesbezüglich, also nahm ich an, super....ein Spezialöl, welches auch als Spezialöl verkauft werden kann.
    Somit würde IAS 2.32 nicht in Betracht kommen.
    Andererseits wurden keine Angaben zu geschätztem Verkaufserlös, geschätzen Vertriebskosten oder geschätzten Kosten für Fertigstellung gemacht, welche eine Ermittlung des Nettoveräußerungswertes ermöglicht hätten.


    Wie hätte ich nach Aufgabenstellung auf die Berücksichtigung von IAS 2.32 kommen müssen?
    (mal abgesehen vom Ausschlussprinzip weil sonst keine Angaben gemacht wurden)
    Oder habe ich IAS 2 komplett falsch verstanden? Hoffentlich nicht

  • Hier bin ich auch auf die Meinung der anderen gespannt.
    Habe mir die Herbst 2016 auch gekauft und letzte Woche die ersten Fächer versucht.


    Gerade bei der o.g. Aufgabe habe ich die gleichen Probleme.
    Unser Dozent hatte noch extra betont, dass eine selbstverständliche Einbeziehung des 2.32 schlechter Stil sei und wirklich nur bei Rohstoffen angewandt wird die in die Produktion von Erzeugnissen einfließen.


    Deiner Argumentation aufgrund der Punktzahl und den fehlenden Informationen zur Berechnung des Nettoveräusserungswertes kann ich schon verstehen.
    Aber bringt uns das Sicherheit? Bin auf die anderen Antworten gespannt.


    Ich mache diese Woche auch noch IFRS vielleicht kommt ja noch was dazu.


    LG Paula

  • Erwischt!


    Eigentlich sollte es doch reichen, bei der Bewertung von Vorräten nach 2.9 zu fragen (strenges Niederstwertprinzip) und damit die grundsätzliche Gleichstellung mit dem HGB herauszustreichen. Sollte reichen, schließlich ist der Betriebswirt kein Bilanzbuchhalter! Aber, denken sich die Prüfungsersteller beiim DIHK, das ist wohl mittlerweile zu vielen Prüfungsteilnehmer/innen bekannt. Deshalb suchen wir die kleine Ausnahme hinten im Text und - ach ja, 2.38 - prüfen die dann ab (natürlich ohne einen klaren HInweis in der Aufgabenstellung). Das ist die hohe Kunst der Einser-Bremse!


    Beim DIHK arbeitet man also wie der Fallensteller im Wald, voller List: der Fuchs ist ein schlaues Tier. Also verbuddeln wir unsere Falle geschickt unter dem Laub. Wir sind auch schlau! Doch, verdammt, beim nächsten Besuch ein Wochenende später hat der Wind das Laub durcheinander geweht, der Fallensteller übersieht im Dunkel ein silbernes Schimmern und - tritt prompt selbst hinein! Autsch!


    Erwischt - ach, wie gut, dass niemand weiß ...

  • Hallo RayWangen,
    sehr schön geschrieben. Habe gut gelacht.
    Aber mit dem notwendigen Ernst würde ich dich oder natürlich auch andere um eine inhaltliche Erklärung bitten.
    Hast du was rausgefunden lergeg?


    Ich habe mir nochmal alles aus dem Kurs zu IAS2 angesehen.
    Wie schon geschrieben stellt 2.32 eine absolute Ausnahme dar, so unser Dozent.
    Und 8 Punkte als Einser-Bremser ist schon heftig.


    Aber das Problem bleibt doch, dass aufgrund der Aufgabenstellung keine entsprechende Verwendung genannt wird.
    Nur das Vorenthalten anderer Angaben, wie lergeg oben geschrieben hatte, kann doch nicht zwangsläufig zu einer, von der IHK gewünschten, falschen Anwendung des 32 führen?!


    Hat hier bitte noch jemand eine Idee?


    LG Paula

  • Hallo P_aula,


    "Hat hier bitte noch jemand eine Idee?"


    mir liegen die Aufgabe und der Lösungsvorschlag im Original nicht vor, daher kommentiere ich das nicht inhaltlich.


    Ihr macht Euch ohnehin viel zu viele Gedanken über ein Problem, das es in der Realität nicht gibt. Kein Prüfer ist an den Lösungsvorschlag gebunden, kaum ein Prüfer schaut überhaupt da rein. Dazu ist zu viel passiert in den letzten Jahren ...


    Es ist ein großer Fehler, die Lösungsvorschläge überhaupt zu veröffentlichen. Die sind von Prüfern für Prüfer geschrieben. Wenn die Schacherer vom DIHK sich die Taschen füllen wollen, in Kooperation mit den Internetzensierern von Bertelsmann, dann sollten Sie Prüfungsvorschläge veröffentlichen, aus denen angehende Fach- und Betriebswirte etwas lernen können. Stattdessen wird gusseisern jeder Fehler, der bereits im Prüfungsverfahren entdeckt wurde, abgedruckt und verbreitet. Und die Dozenten dürfen es ausbaden ...


    Habt einfach mehr Vertrauen in das System. Die Prüfer bügeln die Schnitzer zuverlässig aus. 8)


    LG
    -Tim

  • Hallo TK,
    vielen Dank für deine Antwort allerdings hast du mein Weltbild von beruflicher Weiterbildung ordentlich ins Wanken gebracht.
    Ich vermute, dass du sehr nah am Thema Prüfer dran bist und es entsprechend bewerten kannst.
    Wenn die Lösungsvorschläge von Prüfern für Prüfer sind, wie du schreibst und was ich auch vermutet hatte, sollte es dann nicht so sein, dass die Lösungsvorschläge auf den Punkt genau sein sollten?
    Oder darüber hinaus in ihrer Vielfalt derart gestaltet, dass der Prüfling in der Klausur vielleicht einen Bruchteil dessen formulieren muss um dennoch gut bis sehr gut bestehen zu können?
    Stattdessen verhält es sich so, dass nach Überarbeitung aller IFRS Aufgabenstellung der letzten 8 Jahre ich leider feststellen muss, dass sich die Lösungsvorschläge selten nachvollziehbar darstellen (sei es nur die korrekte Nennung der Standards).
    In meiner Verzweiflung habe ich den Assistenten meines IFRS Dozenten "genötigt" sich mit den Aufgaben auseinander zu setzen und fast immer war sein Urteil: Ungenau weil zum Teil falsche Angaben der Standards, schlechter Stil oder - und das war für mich persönlich das schlimmste Urteil - Aufgabe kann mangels weiterer Angaben nicht sauber gelöst werden.


    Dann habe ich am Wochenende erst den Beitrag zur letzten Klausur gelesen und mit weiterem Entsetzen festgestellt, dass bei Europäischen und internationalen Wirtschaftsbeziehungen Themen wie Arbeitszeitsysteme und nicht staatliche oder halb staatliche Organisationen vorkommen.
    Klar stellt der globale Wettbewerb in allen Bereichen neue Herausforderungen aber in dem Fach abgefragt?
    Erst letzte Woche hatten wir in der Firma die Ankündigung für Weiterbildung im Bereich flexible Arbeitszeitsysteme, dort können sich aber in erster Linie Personaler anmelden. Von der Exportabteilung und vom Einkauf kann niemand teilnehmen.
    Okay, aufgeben ist nicht, also einige Fachbücher über die firmeneigenen Kanäle besorgt zum Thema Außenhandel und Wirtschaftsbeziehungen.....Überraschung in 5 Büchern steht nicht ein Wort zu Arbeitszeitsystemen, halb staatlichen Organisationen oder sonst was.


    Ich bin mir mittlerweile absolut unsicher ob ich überhaupt noch lernen soll oder mich wieder von der Prüfung abmelde. Wenn ich eine Menge Energie während der Prüfung dafür aufbringen muss überhaupt zu verstehen, was man eigentlich abfragen möchte, dann frustriert das doch sehr.


    Sorry für das Pamphlet aber ich bin gerade echt demotiviert.
    Und reden kann ich in der Firma darüber auch nicht weil alle Prüflinge für die Fachwirt Prüfungen sich anhand der Lösungen vorbereiten. Da möchte ich ungern wenige Wochen vor Prüfungstermin Unruhe reinbringen.


    LG Paula

  • Hallo P_aula,


    bloß nicht demotivieren lassen. 8)


    Die Prüfungen sind ja machbar. Leider werden viele Prüflinge unter Wert geschlagen, weil die Qualität der Aufgaben zu wünschen übrig lässt. Das Problem ist ja durchaus bekannt, aber so, wie das Prüfungswesen der Kammern organisiert ist, kann da "von unten" - also von Seiten der einzelnen Kammern - wenig ausgerichtet werden. Wobei die Versuche zahlreicher werden ...


    Für Dich sollte gelten: Auf keinen Fall aufgeben. So motiviert, wie Du zu sein scheinst, bestehst Du. :thumbup:


    Viele Grüße!
    -Tim


    Nachtrag: Das Prüfungswesen der IHK ist besser und gerechter als das an Hochschulen. Nur um das mal aus meiner Sicht einzuordnen.

  • HAllo P_aula


    Ich kann TK nur zustimmen. Du setzt Dich intensiv mit den Themen auseinander und hast das Verständnis. Wenn Du dies mit Selbstbewusstsein und dem Glauben an Dich nährst, wirst DU eine richtig gute Prüfung ablegen. Ich habe im Frühjahr den WFW gemacht. Die alten Prüfungen waren ein Anhaltspunkt zur Vorbereitung, aber dennoch teilweise sehr fragwürdig in den Aufgabenstellungen. In der Prüfung habe ich dann bei Unklarheiten erst noch geschrieben, wie ich die Aufgabe verstanden habe. Das hat jede Menge Zeit gekostet, so dass ich teilweise nicht alle Aufgaben vernünftig lösen konnte. Dennoch habe ich einen Gesamtschnitt von 89% bestanden. Mein Dozent meinte in der Vorbereitung oft, ich hätte eine "bessere" Lösung als die der IHK in den Lösungsvorschlägen. Und mittlerweile glaube ich dies sogar :) .
    Den Betriebswirt wollte ich eigentlich auch im November ablegen, habe aber ab nächstem Monat einen neuen Job, so dass ich nicht weiß, wie es zeitlich mit dem Lernen wird. Wenn Du die Möglichkeit hast, ziehe es durch und Du wirst irgendwann über schwammigen Fragestellungen und unsinnigen Antworten nur noch lächeln.



    Lg und viel Erfolg, Du schaffst das
    Klaus

  • Warum regt ihr euch über die eine Teilaufgabe auf (8 P.)?


    In der Ausgangssituation ist doch klar von einer "Produktions GmbH, Salzgitter" die Rede. Also wird das Unternehmen das Spezialöl doch verarbeiten und nicht etwa damit handeln. Folglich greift das strenge Niederstwertprinzip nach IAS 2.9. Ach ja, 2.39 behandelt ja die Besonderheit von Preisschwankungen am Markt. Die Preisschwankungen standen vermutlich mal in einem Nebensatz in der Aufgabenstellung versteckt. Der Nebensatz wurde dann später gekippt, die Teilaufgabe blieb aber trotzdem stehen. Einfach unlösbar, das Ganze, und so überflüssig der Lösungshinweis. Aber warum darüber noch groß aufregen? Wie das Leben halt so spielt. Was soll's!


    Die Prüfer vor Ort werden das auch nicht so recht verstanden haben. Die Bewertung ist dann eben beliebig.


    Die Berechnung des steuerpflichtigen Gewinnes in Aufg. 1 a (10 P.) und die gesamte Aufgabe zu Jahresabschluss/Bilanzanalyse in Aufg. 4 (28 P.) würde ich noch als deutlich abenteuerlicher bezeichnen.


    Kurzum, ohne Spezialwissen als Wirtschaftsprüfer/Bilanzbuchhalter gingen alleine durch die oben erwähnten Aufgaben schon einmal bis zu 46 von 100 Punkten bei der Klausur Bilanzpolitik, Herbst 2016 flöten! Da war die Fünf bereits ganz nahe. Laut Rahmenplan laufen alle genannten Themen in der Taxonomie unter "Verstehen" und nicht etwa unter "Anwenden". Im Grunde sind bei der Einstufung "Verstehen" derlei detaillierte und kompliziert gestrickte Aufgaben von vornherein illegitim.


    Was soll das also? Der DIHK hatte einfach das Ziel, möglichst viele Teilnehmer durch die Klausur Bilanzpolitik rasseln zu lassen. Dafür ist den Prüfungserstellern jedes Mittel (also eine kaum lösbare Aufgabe) recht. Der DIHK macht so langsam, aber sicher den Abschluss Gepr. Betriebswirt/in kaputt.


    Zuerst kämpfen die Herrschaften jahrelang darum, auf Stufe 7 des DQR zu kommen. Seither kämpfen sie darum, dass möglichst viele Teilnehmer durchfallen.