Ein typisches Vorstellungsgespräch

  • Ich wurde kurzfristig mit einem Typen heute zum Teams-Meeting verabredet über einen Personaldienstleister. Meine Wünsche an Ihn waren:

    • Weniger Stunden in der Woche
    • Mehr flexible Arbeitszeiten und mind. 2 Tage die Woche Remote Work
    • Weniger Management, mehr Planung
    • Kein / Wenig Berührung mit dem operativen Geschäft

    Heute also der Call


    Typ, richtiger Boomer, anders kann ich es nicht beschreiben. Folgende Angebote hat er im Gepäck:


    • Gehalt… maximal das was du jetzt hast, du bist ja Quereinsteiger -> Fair Point, allerdings hat er gefühlt 10 Minuten über Junge Leute und deren Ansprüche lamentiert -> ich 28
    • Wenn Quereinsteiger das Unternehmen wieder verlassen sollen die 2 Monatsgehälter zurückzahlen
    • 20 … Grundurlaubstage… das sind die gesetzlich vorgeschriebenen, und auch mit so einer Selbstverständlichkeit als wäre das normal. Jaaa, Sie bekommen ja noch freiwilligen Zusatzurlaub, der fällt aber bei längerer Krankheit oder Kündigung weg….. übringens alles bei 39h die Woche
    • Auf keinen Fall Homoffice
    • Es gibt einen Anwesenheitsbonus von 100€ im Monat… wahrscheinlich brutto
    • Wenn man Leistung abliefert, bekommt man mehr Gehalt -> das war in Ordnung aber so wie der rumgemacht hat gibt’s da maximal auch 100€ Brutto

    Was soll ich dazu noch sagen?

  • Hallo Arno,


    Ist dies wirklich ein typisches Vorstellungsgespräch? Ich denke das ist schwer zu pauschalisieren.


    Aber Seriösität ist was anderes. Alleine die Tatsache schon, dass Quereinsteiger 2 Monatsgehälter zurückzahlen sollen oder müssen hat mit Unternehmertum wenig zu tun.... was macht er denn dafür, damit gute Quereinsteiger bleiben? Vermutlich noch nie etwas von Personalentwicklung gehört...


    20 Tage Erholungsurlaub sind nach meiner Ansicht nicht mehr Zeitgemäß und definitiv für viele Bewerber ein Ausschlusskriterium. Und was bitte ist freiwilliger Zusatzurlaub? Wird das vertraglich festgehalten?


    Und wieviel mehr Gehalt soll es denn geben bei guter Leistung? So wie du schreibst ist das weder spezifisch noch messbar bzw. generell nicht SMART formuliert. Quintessenz nächstes Ausschlusskriterium....


    Und wie war die Begründung für keinen Fall HO? Wenn diese bezugnehmend auf die Einarbeitung an der Basis etc. formuliert wird könnte man das verstehen wie ich finde.


    Und was soll der Anwesenheitsbonus? Das heisst für mich soviel, dass MA bei 40 Grad Fieber und einer Beispielsweise ansteckenden Erkältung etc. auf die Arbeit gehen, Kollegen anstecken, aber Hauptsache den Bonus bekommen. Hier ist die Monetäre Motivation in die falschen Bahnen gelenkt und hat von Führung und Unternehmerischer Weitsicht nichts.


    Naja. Das ist meine Meinung zu dem Gespräch.


    Wie seid ihr verblieben?


    Gruß

    Tobster


    P.S. Aus Interesse: wir

    Wieso wolltest du weniger als 39h die Woche?

  • Ok, danke für die Anteilnahme Leute 💪


    um Tobsters Fragen zu beantworten:


    - zum Thema typisches Vorstellungsgespräch sage ich am Ende noch einmal was

    - der Zusatzurlaub ist wohl eine freiwillige Leistung des AG, sowas wird normalerweise nicht vertraglich festgehalten

    - beim Thema HO bin ich gar nicht weiter darauf eingestiegen, aber Rechnungsprüfungen etc. sollte ich im Büro in Darmstadt machen. Die Effizienz wäre während der Pandemie deutlich gesunken als die Leute im Homeoffice waren 😂. Das glaube ich Ihm nicht, es sei denn die haben sich alle gedacht: „LMAA“ was ja wieder für die gute Führung sprechen würde 😏

    - ich hab ihm gesagt, er soll mir mal nen Mustervertrag zusenden 🧐, außerdem wollte er sich zum Thema Gehalt und meine Einsatzmöglichkeiten Gedanken machen …

    - der PD war wie gesagt völlig überrascht, das mir die Konditionen nicht gefielen, die sitzen aber auch in GB kann also sein bzw. ich bin mir sicher das da auf Arbeitsrecht und Work-Life Balance geschissen wird


    Abschließend meine persönliche Meinung zum Thema Jobs in Deutschland und dem Fachkräftemangel.
    1. Fachkräfte wachsen nicht auf Bäumen, Junge Ingenieure so abzuspeisen spricht generell für schlechte Zahlungsmoral auf dem Markt, viele werden nämlich trotzdem einschlagen

    2. Fachkräftemangel ist hausgemacht, es ist doch klar das keiner mehr so arbeiten will, deshalb sucht man sich dann lieber Leute im Ausland, anstatt sich über faire Lebensbedingungen Gedanken zu machen.
    3. Arbeitgeber und gerade der Bereich HR hat keine Ahnung was vor Ort bei der ausgeschriebenen Stelle wichtig ist, Hauptsache ein Abschluss von der Uni, die Leute brauchen nämlich Geld und akzeptieren erstmal alle schlechten Verträge 😮

    - Ich kann mich nur wiederholen wo ich Berührungspunkte, mit jungen frisch von der Uni kommenden Leuten zu tun habe. Die habe generell kaum Plan vom praktischen Teil ihrer Arbeit, meinen sie wären was besseres UND werden ohne Kontrollen auf Projekte losgelassen.


    so, jetzt ist für mich aber erstmal die Luft raus, freu mich auf Euern Input.


    LG

    Arno

  • Hallo Arno,


    Danke für deine Ausführungen. Beim Thema Fachkräftemangel bin ich zu 100% bei deinen Ausführungen.

    Leider ist es so, dass die Berufsausbildung immer weniger Wert hat, was ich persönlich sehr bedaure. Hauptsache Akademische Grade, aber von der Praxis null Ahnung und das dann am besten im Alter von 30 Jahren. Herzlichen Glückwunsch Wirtschaft, Industrie, Dienstleistung....


    Meiner Meinung nach ist die 3 jährige Berufsausbildung auch beim DQR viel zu niedrig angesiedelt ( in Relation gesehen zum Bachelor). Nehme ich mich selbst als Beispiel, (habe eine Berufsausbildung und langjährige Berufserfahrung), habe ich mit dem Abschluss des WiFaWi eine höhere Qualifizierung als durch meine Ausbildung. Was mir mehr gebracht hat? Definitiv die Ausbildung. Denn durch das duale System hat man Praxis und Theorie vereint und kann das theoretisch erlernte auch in der Praxis anwenden und umsetzen.


    Ich möchte den WiFaWi nicht schmälern und ich bin stolz dass ich das so gut gepackt habe, jedoch ist dies alles reine Theorie im andauernden "Best Case Szenario" dass in der Realität in keinem Unternehmen vorfindbar sein wird. Da bringen auch die Kriterien zur Aufnahme der Fortbildung recht wenig.


    Ausbildungen sollten gefördert werden durch die Politik, und nicht "nur" Studiengänge mit den damit verbundenen Abschlüssen... dies geht aber nun etwas tiefer in die Materie.


    Jedoch haben meiner Meinung nach wirkliche Fachkräfte nicht nur die Theorie vor Augen... (leider in Deutschland nicht so gesehen).


    In diesem Sinne lass dich nicht unterkriegen!


    Viel Erfolg bei der Suche weiterhin!


    Viele Grüße

    Tobster

  • Guten Abend Arno,


    den Trend, den du beschreibst, erkenne ich auch. Es gibt auch leider zu viele Personaler, die sich bei der Personalauswahl aufgrund der "besseren" schulischen Qualifikation für den Studienabgänger statt für den Bewerber mit Berufserfahrung entscheiden. Und dann wundern sich die Unternehmen, warum es nicht so klappt wie erhofft (kann man natürlich nicht über einen Kamm scheren, aber schon häufig gehört).


    Und eine etwas provokante Frage zum Thema Fachkräftemangel: Ist dies ein reales Problem oder nur eine Panikmache von Arbeitgeberseite? Man muss immer berücksichtigen, dass viele Stellen aufgrund wahnsinnig schlechter Konditionen unbesetzt bleiben. Die Zeiten, in denen sich Fachkräfte für ein Apfel und ein Ei ausbeuten lassen, neigen sich immer mehr dem Ende entgegen. Wenn mehrere Unternehmen attraktive Arbeitsbedingungen und somit eine attraktive Arbeitgebermarke schaffen, müssen viele Unternehmen theoretisch auch nachziehen. Denn auf der Seite der attraktiven Arbeitgeber ist das Gras wesentlich grüner. Heutzutage kann man viel besser Arbeitgeber vergleichen und sich über verschiedene Arbeitgeber im Vorfeld informieren. Wer da als Arbeitgeber nicht mitzieht, verliert in Zeiten von Informationsflut, Digitalisierung, den Weg zur Selbstbestimmung und den neuen Y-/Z-/Alpha-Generationen Fachkräfte oder eben den Zugewinn an Fachkräften.


    Fazit: Im Allgemeinen ist das ein ziemlich kontroverses Thema.


    Grüße

    anonymo