Mal eine kritische, provozierende Anmerkung aus Sicht eines Dozenten, auf viele Aussagen hier im Forum.

  • Aktuell sehe ich immer wieder, dass mit Zusammenfassungen gelernt wird, oder mit Zusammenfassungen von Zusammenfassungen. So werden dann z.B. beschriftete Lernkarten bestellt.

    Irgendwie gehen doch vorgefertigte Lernkarten am Thema vorbei.


    So ist beispielsweise VWL/BWL ist ein Fach, wo man die Modelle und Begriffe verstehen muss, um diese dann auf die Geschehnisse anzuwenden. Das eigene Beschreiben von Lernkarten, hilft doch genau dabei die Dinge zu lernen (von der Hand ins Hirn) und sich die Zusammenhänge selbst zu erarbeiten.

    Oder Rechnungswesen als ein Fach, wo es nicht alleine drauf ankommt verstanden zu haben, was zu rechnen ist, sondern das auch geübt zu haben.

    Es geht ja nicht darum, tumb Wissen zu repetieren, sondern anzuwenden.

    Vielleicht sollte man einfach bedenken, dass Lernen kein Instantvorgang ist.


    Ich beobachte seit längerem 3 Trends.


    1. Es muss möglichst schnell und einfach gehen.

    Dem entgegen steht der alte Spruch: "Ungeduld begleitet wahre Leiden."(William Shakespeare)


    2. Ich habe bezahlt, also müssen andere dafür sorgen, dass ich bestehe.

    Man kauft einen Titel jedoch nicht, sondern muss ihn sich verdienen.


    3. Ich will bespaßt werden! Dozenten müssen daher immer dafür sorgen, dass mir alles Spaß macht. Wenn mir das Thema keinen Spaß macht, muss es ein unfähiger Dozent sein.

    Niemand kann das leisten. Und manchmal muss man sich eben durch Themen durchquälen, auch wenn es mühsam ist. "Wer nicht begeisterungsfähig ist, den unterrichte ich nicht. Wer nicht selbst nach Worten sucht, den leite ich nicht an. Wer mir nicht die restlichen drei Ecken zeigt, wenn ich eine Ecke aufgezeigt habe, den unterweise ich nicht weiter." (Konfuzius um ca. 500 v. Chr.)

    Das ist alles Teil des Prozesses! Denn es soll die Handlungskompetenz erweitert werden und nicht nur das Fachwissen. Da gehört es dann auch mal dazu, dass man seine Komfortzone verlässt, oder sich selbst reflektiert.


    Warum schreibe ich das? Weil es inzwischen ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, dass jeder meint, nichts mehr zu seinem eigenen Wohlstand und Erfolg beitragen zu müssen.

    Im Ergebnis lerne ich immer mehr Menschen im Unterricht kennen, die sich nicht klar artikulieren können, keinen Dreisatz mehr beherrschen, mit Prozentrechnen auf Kriegsfuß stehen, eine Allgemeinbildung wie eine Banane haben, Tafelbilder abfotografieren, weil es mühsam ist diese abzuzeichnen, ständig fragen, ob das in der Prüfung dran kommt, lieber Tick-Tock Videos anschauen, als was für das eigene Fortkommen tun, nicht am Unterricht teilnehmenaber zu glauben andere schrieben eine Zusammenfassung damit nichts verpasst würde... und bei jeder Form von Druck sofort ausweichen – wohl aber das Ziel verfolgend, eine Fach- und Führungskraft zu werden und das auch noch im kaufmännischen Bereich. Getreu dem Motto: "Als Chef/in kann ich ja den anderen sagen, was sie für mich tun sollen, wozu soll ich es also selbst können?"

    Und nach jeder Prüfung, kommen dann die Aufrufe und Petitionen, dass das alles zu schwer sei und/oder die Prüfungsfragen "hinterhältig" gewesen wären.


    Ja, wir haben Fachkräftemangel. Aber den beseitigen wir nicht, in dem wir das Niveau senken und uns dann gegenseitig tolle Titel verleihen. Tolle Titel und nix auf die Kette bringen ist die neue Mentatlität, die uns ganz bestimmt weiterhin den Wohlstand sichert.

    In China warten 1000de darauf, das zu machen, was Dir zu mühsam ist.

    Ich bekomme langsam aber sich das Würgen, wenn ich bedenke, dass jemand der Brutto von Netto nicht unterscheiden kann, glaubt einen Anspruch auf einen Bachelor zu haben.


    Wenn Ihr Titel wollt, spart Euch die Mühe mit der IHK und deren Kursen: https://title-town.de/


    Könnt Ihr damit erfolgreich in einem Unternehmen agieren?.....Naja....vielleicht

    Wenn sich jetzt jemand angegriffen durch diesen Betrag fühlt: Gern geschehen! :roll:

  • Hallo lecturer,


    eine schöne Zusammenfassung dessen, was ich in den zurückliegenden 12 Jahren hier im Forum geschrieben habe. ^^ :thumbup:


    Ich unterrichte die verschiedensten Zielgruppen und muss sagen, dass die allermeisten sich wirklich Mühe geben. Wer schlechte Voraussetzungen mitbringt, sich aber Mühe gibt, erhält von mir volle Unterstützung. Leider wächst von Jahr zu Jahr die Gruppe derer, deren Einstellung und Verhaltensweisen Du anprangerst. Es sind aber immer noch die wenigsten, was eventuell daran liegt, dass ich in der "Schweiz Deutschlands" lebe.


    "Ja, wir haben Fachkräftemangel. Aber den beseitigen wir nicht, in dem wir das Niveau senken und uns dann gegenseitig tolle Titel verleihen."


    Dazu eine Anmerkung. In erster Linie senken die Hochschulen seit Jahren das Niveau. Der DIHK stemmt sich wacker gegen diesen Trend. Meine Meister und meine Geprüften Technischen Betriebswirte zum Beispiel haben sich ihren "Bachelor" und "Master" redlich verdient.

    LG

    -Tim

  • Mahlzeit,


    danke für Ihren Einblick lecture. Ich als ehemaliger „Schüler“ bin da nicht ganz Ihrer Meinung in allen Punkten, kann aber natürlich auch nur von meinem Kurs bzw. von mir sprechen. Fand den Beitrag aber sehr „alle über einen Kamm geschoren“.


    Ja, ich hatte mir auch Zusammenfassungen gekauft. Warum? Regelmäßig 10h Tage auf der Arbeit und dann noch Zeit mit Kind und Hund verbringen wollen. Hat es mir geholfen? Jup, definitiv. Ich hätte es zeitlich einfach nicht geschafft alles zusammenzufassen. Wenn was nicht verstanden wurde - nachschlagen, Videos schauen oder oder oder. KLR muss natürlich geübt werden - für die Theorie finde ich es aber nicht verwerflich. Da muss jeder seinen Weg finden. Wenn es klappt, warum denn nicht? Man kann nicht in jedes Leben und in die Lebensumstände reinschauen. In meinem Bekanntenkreis sind solche Arbeitstage keine Seltenheit.


    Zu Punkt 1.:

    Ich hatte damals auch einen Sprintkurs gewählt. Ich konnte mich selbst einschätzen und mir war klar, dass ich 2,5 Jahre nicht durchziehen werde. Wenn es auf andere Punkte bezogen war - einfach streichen ;)



    Zu Punkt 2.:

    Habe ich so nicht mitbekommen in meinem Kurs. Auch in diversen Lerngruppen in denen ich war nicht. Sollte aber so jemand der Meinung sein, ist Ihm nicht zu helfen. Würde ich als Dozent auch nicht wirklich mitziehen.



    Zu Punkt 3.:

    Das sollte jeder eigentlich vorher wissen. Lernen macht selten (aus meiner Sicht) Spaß.

    So eine Einstellung kann ich auch nicht nachvollziehen.



    Und das ganze Beispiel mit den Dreisatz, Intelligenz einer Banane und und und ist natürlich sehr krass beschrieben. Mit dem ganze Social Media habe ich auch meine Probleme - aber das ist halt einfach die aktuelle Zeit.

    Ehrlich gesagt habe ich damals auch den Dreisatz nochmal kurz gegoogelt. Die Schulzeit war einfach zu lange her. Stehe ich zu. Wenn man was erreichen will, müht man sich einfach.


    Warum schreibe ich das? Meiner Meinung nach muss man alles individuell betrachten und nicht alles verallgemeinern. Wie es früher war? Keine Ahnung. Wie eure Schüler sind? Kann ich nicht nachvollziehen.


    Mir ist nur wichtig, immer das Große und ganze zu sehen in manchen Dingen.


    LG

  • Hallo,


    auch ich möchte dazu nochmal das Wort ergreifen. In vielen Themen, gebe ich dir teilweise recht. Wir befinden uns in Zeiten, wo das Bildungsniveau abnimmt. Natürlich ist der Trend, wie du in Punkt 1 erwähnst, auch ganz klar, dass alles schnell gehen soll. Meiner Meinung nach aber der Vuca-World und dem Wandel der Zeit geschuldet und ein generelles Problem. Die Prüfungen der IHK sind auch nicht geschenkt, jedoch meiner Meinung nach problemlos zu bestehen, mit dem jeweiligen Willen und der Ausdauer.


    Wichtig finde ich nur, dass man nicht alle über einen Kamm scheren sollte. Jeder hat eine andere intrinsische bzw. extrinsische Motivation, die einen antreibt.


    VG

  • Also einen Fachwirt mit einem Akademiker zu vergleichen ist erstmal absurd. In Deiner Aussage sehe ich mehrere Probleme und zwar, dass nicht alle Umstände berücksichtig wurden.

    Nicht jeder hat unzählige Stunden um zusammenfassungen zu schreiben, weil die meisten es nebenberuflich+Familie+Kinder+etc. Nicht jeder hat die Fähigkeit, sinnvolle Zusammenfassungen zu erstellen.

    Zu schlechter Artikulation- nicht jeder hat Deutsch als Muttersprache und es ist nicht einfach sich immer und überall perfekt artikulieren zu können.

    Nicht jeder will an die Führungsposition. Es gibt fähige Personen, die das Know How besitzen (brauchen aber den "Schein" für die HR) und es gibt auch Personen, die den "Schein" machen und den einfach zu haben. Und zum dreisatz und Prozenterechenen, Mal ganz ehrlich- wer muss das wissen und können und warum?